Entwicklung eines neuen Wohnquartiers am Stadtteilzentrum, das sich mit dem sozialen und baulichen Umfeld auseinandersetzt und eine Antwort auf räumliche und funktionale Missstände liefert. 

Städtebaulich-freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb mit Ideenteil, 2020 

SCHÖNAU NEUE WELT 

Ausgangspunkt unseres Entwurfs ist die neo-europäische Stadt des 21. Jahrhunderts als von Menschen gestalteter und genutzter Raum. Wir wollen, dass auch kommende Generationen die Neue Mitte Schönaus mit ihren Gebäuden und Freiräumen nach ihren Bedürfnissen nutzen können und gerne darin leben und arbeiten. Aus der Mehrdeutigkeit, Ambivalenz und Vielfalt des bestehenden Ortes lassen sich neue Quartiersidentitäten und Möglichkeitsräume ableiten. Mischung, Dichte und Nähe reduzieren den Ressourcenverbrauch und die motorisierte Mobilität, eine konsequente Durchgrünung ermöglicht die Anpassung an den Klimawandel und mildert seine Folgen ab. Die Vision SCHÖNAU NEUE WELT entwickelt so eine zukunftsfähige und doch alltagstaugliche Lebenswelt mit modellhaften Ansätzen und Experimentierräumen für ein gutes Leben in einem urbanen und durchgrünten Quartier.

Städtebaulicher Entwurf

NEUE MITTE In Schönaus Mitte entsteht eine von Grün geprägte NEUE WELT, durch die die Stadtbahn ihre Schleife zieht. Der bislang wenig genutzte Verkehrsraum wird erleb- und nutzbar gemacht. Im nördlichen Teil der Schleifenlandschaft nehmen sich Stadt und Verkehr zurück, informelle Sport- und Spielangebote werden geschaffen und die Anbindung an die Grünachse nach Norden fließt ein. Während sich der nördlichste Teil der Schleife senkt – Sitzstufen schaffen hier eine Tribüne-, erhebt sich im Süden die „fliegende Schleife“ aus dem Stadtboden und wird zur neuen Anlaufstelle im soziokulturellen Gefüge der Stadt. An der Ostseite werden die vorhandene Bebauung mit ihren jeweiligen Nutzungen selbstverständlich in den neuen Stadtraum integriert. An der Westseite bilden zwei neue hybride Stadtbausteine mit aktiven Erdgeschosszonen urbane Ränder aus. Sowohl zu den vorhandenen wie den neu geschaffenen Nachbarschaften und Freiraumstrukturen vernetzt sich die Neue Mitte über ein vielfältiges Netz aus Fuß und Radwegeverbindungen. Die verschiedenen Teilräume der „Neuen Welt Schönau“ können durch unterschiedliche Nutzergruppen gemeinschaftlich belegt und erlebt werden.

NEUES WOHNEN An die Neue Welt der Stadtteilmitte fügt sich ein durchgrüntes Wohnquartier, das zwar zur Marienburger und Lilienthalstraße klare Stadträume ausbildet, im Inneren aber über eine aufgelockerte Punktbebauung und fließende Freiräume den Charakter der bestehenden Nachkriegssiedlung zeitgemäß interpretiert und so einen umfassenden Erhalt des Baumbestands ermöglicht. Das Quartier wird neben den hybriden Stadtbausteinen mit einem Sondertyp für Gemeinschaftliche Wohnformen an der Neuen Mitte von vier grundsätzlichen Haustypen gebildet, die in Kombination für eine Mischung unterschiedlicher Typologien und Eigentumsformen sorgen. In den Gebäuden entlang der Lilienthalstraße könnten kommerzielle Nutzungen in den Erdgeschossen überwiegen. Im Inneren werden neben gemeinwohlorientierten Nutzungen in Form von Optionsräumen, ebenerdigen Fahrradabstellräumen sowie einer KiTa im Westen an geeigneten Stellen auch Wohnungen mit vorgelagerten Gärten angeordnet. Klar ablesbare, dabei je nach Situation ausgerichtete Haustypen schaffen so eine einladende und urbane Atmosphäre und bieten zugleich Wohnungen an, deren räumliche Qualitäten und Freiräume für alle Bewohnergruppen ein Zuhause schaffen. Durch die Ermöglichung von Teilhabe, Austausch und Kommunikation wird so die soziale Vielfalt und Integrationsfähigkeit des Quartiers gestärkt. Durch die angemessene Dichte werden Herstellungskosten gesenkt und gemeinwohlorientierte Nutzungen ermöglicht. Neue Finanzierungs­, Miet­ und Eigentumsmodelle schaffen leistbaren Wohnraum, reagieren auf den demografischen Wandel und senken den Flächenverbrauch. Die kompakten Gebäude können konsequent energiesparend und ressourcenschonend ausgeführt und mit hocheffizienten technischen Systemen ausgestattet werden. Mit dem konstruktiven Ansatz der Schottenbauweise eignen sich alle Haustypen hervorragend für eine Realisierung in elementierter oder ggf. modularere Holzbauweise.

NEUE FREIRÄUME Das mit rotem Asphalt belegte Wegenetz fließt durch die Schleifenlandschaft in das Wohnquartier und bildet immer wieder kleine Plätze und Aufenthaltsorte aus. Die wichtige Ost-West-Verbindung, sowie der neue Schönauer Weg werden durch eine Nachbehandlung der Oberfläche betont und sichtbar gemacht. Locker eingestreute heimische Baumgruppen und Solitäre erweitern den bereits vorhandenen Baumbestand und fließen in das neue Wohnquartier ein. Die grünen Inseln werden topografisch überformt und schaffen zu den Rändern und zum Verkehr hin eine Abschirmung. Artenreiche Ansaaten der Rasen- und Wiesenflächen passen sich dem nicht vorhersehbaren dem Nutzungsdruck an. Im Wohnquartier werden durch kleine Sprünge in der Topografie und durch niedrige Heckenstrukturen aus heimischen Gehölzen, private von gemeinschaftlichen Bereichen getrennt. Niederschlagswasser wird auf Gründächern und auf den Baufeldern für gärtnerische Nutzungen gesammelt. Überschüsse werden in gestalterisch integrierte Versickerungsflächen geleitet. Die offene Bauweise und starke Durchgrünung begünstigt kleinklimatische Effekte.  Ein zentraler Quartiersplatz ist Ankerpunkt der neuen Gemeinschaft und regt den Austausch unter den neuen Bewohnern an.

NEUE MOBILITÄT Das Mobilitätskonzept zielt auf eine Stärkung der postfossilen Mobilität ab: So wird einerseits durch die konsequente Unterbringung der Pkw in einem Mobilitätshub an der Neuen Mitte eine moderate Zugangshürde zur Automobilität geschaffen – der öffentliche Raum wird vom ruhenden Verkehr entlastet und kann daher der Klimaanpassung entsprechend gebaut werden. Der Mobilitätshub ist dabei in die bauliche Struktur integriert und kann bei sich verringerndem Bedarf umgenutzt werden. Er bietet bei hoher Erreichbarkeit (< 300m) ergänzende Nutzungen im Erdgeschoss, Stellplätze für die Bewohner und leicht zugängliche Angebote für Carsharing, Leihfahrräder sowie Lademöglichkeiten für Elektromobile. Im Quartier verteilte oberirdische Stellplätze ergänzen das Angebot. Die integrierte Konzeption von Mobilitätsangeboten, Nutzungsverteilung und Freiraumgestaltung ermöglicht so die 5-Minuten-Stadt.

Entwurf: 2020
Fläche: ca. 4,6 ha
Programm: Entwicklung eines neuen Wohnquartiers am Stadtteilzentrum, das sich mit dem sozialen und baulichen Umfeld auseinandersetzt und eine Antwort auf räumliche und funktionale Missstände liefert.
Auftraggeber: Stadt Mannheim
Freiraum: koeber LANDSCHAFTSARCHITEKTUR GmbH, Stuttgart